Ostpreussen - eine Entdeckungsreise

Wenn man nach Ostpreussen reisen will, muss man heute in den Kaliningrader Oblast. Das Gebiet ist etwa 100 km breit und 160 km lang. Eingeschlossen von den den EU-Laendern Polen und Litauen liegt es direkt an der Ostsee. Verwaltungstechnisch gehoert es…

Posted by eumel8 on May 01, 2017 · 10 mins read

Wenn man nach Ostpreussen reisen will, muss man heute in den Kaliningrader Oblast. Das Gebiet ist etwa 100 km breit und 160 km lang. Eingeschlossen von den den EU-Laendern Polen und Litauen liegt es direkt an der Ostsee. Verwaltungstechnisch gehoert es zu Russland.
Und da ist auch schon das erste Problem: Landessprache im Kaliningrader Oblast ist russisch, spaetestens merkt man das an der Grenze und den Wegweisern auf den Strassen in kyrilischer Schrift. Gewisse Grundkenntnisse der russischen Sprache sind also unabdingbar.

Bevor es aber richtig losgeht, brauch man erstmal ein Visum fuer die Einreise. Dies bekommt man an den Visa-Zentren, aufgelistet mit allen Informationen auf [1] Die Verfahrensweise ist relativ einfach. Man brauch einen gueltigen Reisepass, ein biometrisches Passbild, ein online ausgefuellten Visa-Antrag, eine Bescheinigung ueber eine Auslandskrankenversicherung, ein Nachweis ueber Grundstueck oder Wohneigentum oder einen Gehaltsnachweis in Deutschland und eine Einladung eines russischen Buergers, Reisebueroes oder Hotels. Letzteres bekommt man bei der Buchung eines Hotels im Kaliingrader Gebiet entweder kostenlos oder einer geringen Gebuehr. Fuer nur 69 Euro bekommt man innerhalb einer Woche das Visum, muss sich bloss entscheiden, ob man einmalig ein- und ausreist oder mehrmalig. Will man zum Beispiel schnell mal ueber den Nationalpark Kurische Nehrung nach Litauen oder ueber die Tilsiter Bruecke und wieder zurueck, benoetigt man ein Visum fuer mehrmalige Ein- und Ausreise. Grenzformalitaeten koennen aber auch schon mal 1-2 Stunden dauern - vor allem, wenn man ein Auto dabei hat, wegen der extra auszufuellenden Zoll-Formulare [2]. Da sollte man sich das reiflich ueberlegen.

DIe Landeswaehrung ist der Russische Rubel. Die kann man in Deutschland zum Beispiel bei der Reisebank recht unproblematisch besorgen. Allerdings akzeptiert selbst der kleinste Dorfladen VISA- bzw MAESTRO-Card ohne Mindestumsatz oder Gebuehren. Wenn man mit dem Auto anreisen will, werden die meisten Navigationssysteme die Anfahrt ueber Stettin berechnen, um ueber einen der 3 polnisch/russischen Grenzuebergangsstellen zu gelangen. In Elblag befindet sich dazu noch eine Anzeigetafel auf der S22, welche Wartezeiten an welcher Uebergangsstelle zu erwarten sind. Bei Transitvisa muss man die Uebergangsstelle noch angeben.

Die Staatsstrasse S22 ist die alte Reichsstrasse 1 Berlin-Koenigsberg und so kann man dieser von Berlin-Mahlsdorf, Kystrin, weiter als DK22 durch Polen, Gorzów Wielkopolski, Wałcz , Starogard Gdański, Marbork, Elblag folgen. DIe Hoechstgeschwindigkeit auf Landstrassen betraegt 90 km/h, innerorts 50 km/h, tagsueber ist Licht vorgeschrieben und es wird gern mit der Laserpistole geblitzt. Im Kaliningrader Gebiet finden hingegen haeufig Verkehrskontrollen statt. Geruechten zufolge werden gerne Auslaender kontrolliert, was ich aber nicht bestaetigen kann. Es lohnt sich aber dennoch, immer gueltige Papiere bei sich zu fuehren und sich an die Hoechstgeschwindigkeiten zu halten: innerorts 60 km/h, ausserorts 90, Autobahn 110 km/h. Mobile Radarfallen ueberwachen den Verkehr.

Autobahnen gibt es tatsaechlich: Ringsum Kaliningrad wird ein Autobahnring gebaut. Weitere Autobahnen gibt es Richtung Светлогорск und die Transitstrecke von Kalimingrad Richtung Moskau. Die Fahrweise der russischen Verkehrsteilnehmer mutet teilweise etwas ruede an, beim genaueren Hinsehen ist sie aber aeusserst galant und geradezu zuvorkommend. Oder wo wartet man sonst 5 Minuten auf das Postauto, um ihm aus der Seitenstrasse Vorfahrt auf eine Bundesstrasse zu gewaehren, obwohl der Fahrer das Auto dreimal abgewuergt hat? Neben den sehr gut ausgebauten Autobahnen und Landstrassen sollte man nicht voellig ueber den desolaten Zustand mancher anderer Strasse hinwegsehen. Manches Schlagloch ist tiefer als man denkt und mit tiefergelegten Autos sollte man die Region nicht bereisen. Andererseits habe ich dort auch nie einen Unfall gesehen, was man bei dem chaotischen Fahrstil oder Verhaeltnissen befuerchten muesste. Russland gehoert nach der Meinung mancher Autohersteller gar nicht zu Europa. Deswegen ist das Kaliningrader Gebiet nicht oder mit erheblichem Aufpreiss im Navigationssystem verfuegbar. Es helfen dann nur Landkarten oder Google-Maps. Drauf achten sollte man, dass das Kartenmaterial auch die kyrilischen Namen der Ortschaften enthaelt. Selbst bei Google-Maps gibt es die Eigenart, dass noch die Ortsnamen des Grossdeutschen Reiches erwaehnt sind. Dabei hat Google-Streetview alle Ortschaften befahren und muesste doch wissen, das mitnichten diese Namen an den Ortsschildern dranstehen. Sowas sollte man bei der Navigation einfach beachten. Die lateinischen Namensbezeichnung findet man nur auf der Transitstrecke vom polnischen Grenzuebergang nach Moskau.

Bei Google-Maps denkt man natuerlich sofort an Internet. Handynetz mit 4G ist im Kaliningrader Gebiet flaechendeckend vorhanden (fuer irgendwas muessen die vielen Antennenmasten ja gut sein). T-Online moechte aber fuer eine Woche Roaming 11,64 Euro fuer die 150 MB Datenuebertragung haben. Verwiesen sei an dieser Stelle auf “Eine Tuete Internet, bitte” [3]. Auch in Russland lohnt sich das Sammeln von Prepaid-Karten. Der Anbieter Tele2 verkauft die 3 GB-Flatrate fuer 100 Rubel, das sind etwa 1,98 Euro.

Tanken kann man im Kalimingrader Gebiet auch an fast jeder Ecke. Dabei gibt es Benzin zu 92 und 95 Oktan und Diesel (дт). Das Verfahren ist aber ein bischen anders. Wenn man an die Tanksaeule gefahren ist, muss man ERST im Laden im voraus bezahlen und kann erst DANACH tanken. Da man nicht weiss, wieviel Treibstoff man benoetigt, tankt man immer Festbetraege. Der Liter Benzin oder Diesel kostet um die 38 Rubel. Das Mitfuehren von Kanistern ist nicht gestattet.

Oeffentlicher Nahverkehr findet groesstenteils mit dem Bus statt. Ueberland, etwa an die Kuestenstaedte und Seebaeder faehrt Regio-Express [4]. Von Jantarny (Янтарный) kostet die Fahrt nach Kaliningrad 98 Rubel. Der Bus faehrt stuendlich und es faehrt auch immer ein Schaffner mit, bei dem man die Fahrkarten loesen kann. Jantarny war auch unser Ferienort. “Bernstein-Dorf” ist sein uebersetzter Name, Palmnicken hiess es frueher. Im Dorf gibt es 3 Hotels: Das etwas gediegene Hotel Becker, das gutbuergerliche Hotel Anna und unser Hotel mit direkten Blick zur Ostsee: Hotel Aquatoria

Was kann man alles im Kaliningrader Gebiet besichtigen? Nun, so ziemlich alles. Angefangen von Baltisk, die Hafenstadt am Frischen Haff mit zahlreichen Denkmaelern und Plaetzen, wie auf unserem Titelbild, weiter die Ostseekueste entlang mit Strand satt.

Die bislang unentdeckte Bernstein-Stadt Jantarny mit breiten Straenden und einer Promenade weiter zu den Seebaedern Swedlogorsk, Zelenogarsk auf die Kurische Nehrung mit ihren grossen Sandduenen und dem “Tanzenden Wald”. Die Fahrt endet allerdings dort, denn das Ende der Nehrung liegt schon in Litauen. [5] Unterhalb der Nehrung hinter Matrossowo liegen die Elchniederungen, wo man in fast urwaeldlichen Gefilden tatsaechlich Elche treffen kann. Weiter gehts nach Tilsit (Sovjetsk) mit der beruehmten Luisenbruecke, die derzeit auch wieder Grenzstation nach Litauen ist.

Manche Reisefuehrer berichten vielleicht, dass Gebiete wie Baltisk und Sovjetsk fuer den Tourismus gesperrt sind. Dem ist aber nicht mehr so. Alle Gebiete sind frei zugaenglich. Freillig gibt es eine hohe Militaerpresenz im Aussenposten von Russland, aber sollte man sich an diesen nicht weiter stoeren und sich lieber an den landschaftlichen Schoenheiten oder den Sehenswuerdigkeiten in den erwaehnten Staedten erfreuen.

Etwa bei einem Besuch im Landesinneren in den Staedten Tschernjachowsk (Insterburg) oder Gussew (Gumbinnen).

Strasse bei Schelannoje (Hensken)

Historische Landkarten findet man auf [6]

Nicht unerwaehnt bleibt natuerlich die Haupstadt Kaliningrad. Dort gehoeren ein Besuch des Koenigsberger Doms mit der Grabstaette von Emanuel Kant genauso zum Muss wie der Besuch des Nordbahnhofs und der umliegenden Kaufhaeuser und Maerkte.

Ein Magasin ist so ziemlich in jedem Dorf zu finden. Meist sieht er von draussen nicht so aus oder man denkt, er ist geschlossen. Von der allgegenwertigen Wodka-Flasche findet man in so einem Laden fast alles

Wer sich mit russischen Fernsehsendern noch ausnandersetzen moechte, findet auf [7] eine gewisse Auswahl. Einige Sender bieten auch Streaming ueber Internet an.

Alles im allem lohnt sich eine Reise ins Kaliningrader Gebiet. Es gibt sehr viel zu sehen, die Menschen sind sehr freundlich, Die Reisekosten halten sich in Grenzen (das Bruttonationaleinkommen liegt im Durchschinitt bei 23.600 Dollar, gegenueber Deutschland mit 46.000 Dollar). All-inclusive-Urlaub sollte man allerdings nicht erwarten. Es ist das vielleicht letzte bischen Abenteuer, was man in Europa noch erleben kann. Спасибо за предоставленную мне возможность быть там.

[1] http://www.vhs-germany.com/ [2] http://www.customs.ru/attachments/article/13709/deutsch.pdf [3] http://blog.eumelnet.de/blogs/blog6.php/main-1/eine-tuete-internet-bitte [4] http://www.regio-express.ru [5] http://www.park-kosa.ru/ [6] http://www.landkartenarchiv.de/deutschland_kartedesdeutschenreiches.php [7] https://www.diigo.com/user/eumel_8/russiantv